Aus der Rhein-Zeitung vom 03.05.2014:
AfD-Kandidat ist in umstrittener Burschenschaft
Partei Gruppe forderte „Ariernachweis“ – Joachim Paul: Ich bin ein Patriot, aber kein Rassist
M Koblenz. Immer wieder wird der Alternative für Deutschland (AfD) vorgeworfen, rechtspopulistisch zu sein, immer wieder distanziert sich die Partei davon. Kürzlich nun hat „Zeit Online“ einen Bericht über „Die rechten Burschen bei der AfD“ veröffentlicht, der sich damit beschäftigt, wie die Partei mit ultrakonservativen Burschenschaften verquickt ist. Und darin fällt ein Name: Joachim Paul.
Paul, Lehrer in Neuwied, ist Landesschriftführer der Partei und stellvertretender Vorsitzender der AfD Koblenz. Auf dem Listenplatz vier tritt er bei der Stadtratswahl am 25. Mai an. Und: Paul ist Mitglied der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn – eine umstrittene Vereinigung, die in Berichten vor allem von „Spiegel Online“ und von linken Gruppen wie der Antifa Koblenz dem rechten Flügel zugerechnet wird. „Zeit Online“ schreibt von einer „rechtskonservativen, nationalistischen Burschenschaft“. Ist man also automatisch ein Rechter, wenn man hier Mitglied ist?
„Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, ich bin lediglich Mitglied in einer legalen Organisation“, sagt Paul im Gespräch mit der RZ. Für ihn haben linksliberale Medien ein Interesse daran, Vorgänge rund um die Burschenschaftsszene einseitig darzustellen und diese in die rechte Ecke zu stellen. Tatsächlich seien die Raczeks gegen Rassismus. „Wir sind lediglich eine patriotische Vereinigung, und das ist unser gutes Recht“, so Paul.
Die Webseite der Burschenschaft gibt Einblicke in eine zutiefst traditionelle Welt, in der Fechtkämpfe ausgetragen werden, vom „Verlust unserer ostdeutschen Heimat“ die Rede ist und der Leitspruch „Gott, Ehre, Freiheit, Vaterland“ über allem steht. Gebietsansprüche an die früheren deutschen Provinzen im Osten würde man aber nicht stellen, betont Paul, „wir erinnern nur an die schlesische Heimat“, aus der die Burschenschaft stammt.
Mitglied bei den Raczeks werden kann „jeder männliche, deutsche Student, der sich zu unseren Grundsätzen bekennt“. Und die Anforderungen an die Abstammung der Burschenschafter ist Ursprung des wohl größten Skandals rund um die Raczeks. 2011 forderten diese beim Burschentag der Deutschen Burschenschaft einen „Ariernachweis“ – für Medien und Experten völkische, rassistische Auswüchse, für Joachim Paul ein Missverständnis.
Fakt ist: Die Raczeks hatten den Ausschluss einer anderen Verbindung beantragt, weil diese einen Studenten aufgenommen hatte, der zwar in Deutschland geboren ist, jedoch chinesische Eltern hat. In ihrer Begründung schrieben die Raczeks, es sei „besonders in Zeiten fortschreitender Überfremdung nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht vom deutschen Stamm sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden“.
Ein Sturm der Empörung brach über die Raczeks herein, die den Antrag schließlich zurückzogen. „Ich selbst habe erst aus den Medien von dem Antrag erfahren“, sagt Paul. Er und andere hätten sich davon distanziert, ausländische Mitglieder seien außerdem nicht per se ausgeschlossen, ihre Aufnahme würde bei einer Einzelfallprüfung entschieden. Die aktiven Burschenschafter hätten hinter dem Antrag gestanden, nicht die Alten Herren, die nicht mehr selbst studieren und zu denen auch Paul gehört.
Die Positionen innerhalb der Burschenschaft seien ohnehin sehr unterschiedlich. 140 Mitglieder haben die Raczeks, „und bei uns sind fast alle Parteien vertreten“, sagt Paul. Die Raczeks heute seien auch „enorm zerstritten“, und es sei immer schwieriger, einen gemeinsamen Nenner zu finden. „Problematisch für die Zukunft ist, dass die Jugendlichen, die heute zu uns kommen, oft unfertig sind und sich schneller produzieren wollen.“ Einzelne Mitglieder sorgten zudem immer wieder für Kopfschütteln: Ein Vorstandsmitglied etwa bezeichnete den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“ und wurde 2013 verurteilt. Ein mittlerweile ausgeschlossenes Mitglied steht mit dem rechtsradikalen Aktionsbüro Mittelrhein in Koblenz vor Gericht.
Joachim Paul hält trotzdem an den Raczeks fest. Seine Parteikollegen von der AfD Koblenz hätten kein Problem damit, „und letztlich ist es meine Privatangelegenheit“.