Antifaschistische Aktionstage
Schon im Vorfeld des geplanten Naziaufmarsches fanden in Koblenz verschiedene antifaschistische Veranstaltungen statt. Am 10. März gab es eine Veranstaltung zum Nationalsozialismus in Koblenz mit einem Referent des Vereins Mahnmal e.V. Am Tag darauf trafen sich ca. 35 Menschen zu einem Stolpersteinrundgang durch die Koblenzer Innenstadt. Beide Veranstaltungen rückten die nationalsozialistische Vergangenheit Koblenz in den Fokus und somit auch die konkreten Verbrechen und deren Opfer.
Vorabenddemo
Die Antifaaktionstage endeten mit einer abendlichen antifaschistischen Demo der Initiative Kein Vergessen. Unter dem Motto „Schöner leben ohne Nazis – Solidarität mit den Betroffenen von Rassismus und rechter Gewalt“ zogen am Vorabend des geplanten Naziaufmarsches, bei guter Stimmung und Musik, über 160 Antifaschist_innen, mit vielen Plakaten und Transparenten ausgestattet, durch Koblenz. Am Mahnmal für die Opfer des NS wurde eine Zwischenkundgebung abgehalten, am Zentralplatz endete die Demo an der Gedenktafel für Frank Bönisch. Frank Bönisch wurde 1992 von einem Neonazis auf dem Zentralplatz erschossen, sieben weitere Personen teilweise schwer verletzt.
Der 15. März – Naziaufmarsch
Gegenprotest
Ab 13 Uhr sammelten sich Antifaschist_innen am Hauptbahnhof. Hier hatte der DGB zur Kundgebung aufgerufen. Bis zum Beginn der Nazidemo wuchs die Gegenkundgebung auf ca. 1000 Menschen aus den verschiedenen politischen Lagern an. Zudem gab es noch weitere Kundgebungen in der Innenstadt. Bevor die Nazidemo in Richtung Innenstadt loszog, bewegten sich mehrere hundert Antifaschist_innen Richtung Naziroute und Innenstadt Immer wieder gelangten größere Gruppen von Antifaschist_innen an die Nazis. Diese wurden mehrmals körperlich und fast die komplette Zeit über verbal angegangen. Zur gleichen Zeit gelang es ca. 300 Antifaschist_innen die Naziroute zu blockieren. Zwei Blockaden verhinderten, dass die Nazis in die Innenstadt gelangen konnten. Diese steckten an ihrer Zwischenkundgebung fest und beschlossen nach längerer Zeit und Verhandlungen mit der Polizei den Rückweg anzutreten. Auch hier konnten die Nazis „kritisch“ begleitet und antifaschistisch nach Hause geschickt werden.
Die Nazis
Um die 140 Nazis folgten dem Aufruf der Partei Die Rechte. Die Teilnehmer_innen setzten sich vor allem aus den eigenen Parteireihen zusammen. Angereist waren Teile der Landesverbände Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg. Auch der Großteil der angeklagten Nazis des Aktionsbüro-Mittelrhein waren anwesend. Interessant: Marc Michels, einer der Angeklagten war mit (gekauftem) Presseausweis anwesend und fotografierte fleißig vermeintliche Gegendemonstrant_innen. Anti-Antifa-Arbeit und darauf folgende Gewalttaten sind einer der Anklagepunkte im Prozess gegen das ABM. Sven Skoda, ein weiterer Angeklagter und erst kürzlich aus der U-Haft entlassen, hielt einen Redebeitrag.
Insgesamt waren die Nazis gerade nach der Blockade frustriert. Koblenz scheint wohl nicht ihr Lieblingsort zu werden. U-Haft, Prozess und jetzt auch noch ein – zumindest zur Hälfte – blockierter Aufmarsch.
Trotz kurzzeitigem Regen und den anstrengenden Gegenprotesten zuvor, fanden sich etwas 120 gut gelaunte Menschen zur abendlichen Tanzdemo ein. Mit guter Stimmung – schließlich hatte man die Nazis blockiert – zogen die Menschen tanzend vom Zentralplatz durch die Innenstadt nach Lützel und wieder zurück. Zwischendurch gab es auch atmosphärische Pyrotechnik.
Die Polizei
Schon ab dem frühen Morgen positionierten sich große Teile der ca. 1000 eingesetzten Polizeibeamt_innen in der Koblenzer Innenstadt. Am Bahnhof und Teilen der Naziroute wurden Hamburger Gitter aufgestellt. Schon über eine Stunde vor Beginn der angemeldeten Gegenkundgebungen gab es massive Vorkontrollen und die „Koblenzer Spezialität“ von unbegründeten Stadtverboten bis in die späten Abendstunden. Alles was nach „Antifa“ aussah musste mit willkürliche Maßnahmen rechnen. Auch versuchten die Cops einigen Gegendemonstrant_innen den Zugang zur Gegenkundgebung des DGB zu verwehren.
Am Rande der Nazidemo kam es dann noch zu einem polizeilichem Übergriff. Ein Gegendemonstrant wurde ohne Grund von einem Polizeisanitäter mit Schlagstock und Pfefferspray angegriffen und verletzt. Dieser Vorfall wurde nur durch Zufall von einem Journalisten festgehalten – durch die Veröffentlichung von Fotos der Situation hat sich mittlerweile die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Kolleg_innen des Täters deckten diesen, Dienstnummern wurden nicht hergegeben.
Artikel RZ: http://www.rhein-zeitung.de/region/lokales/koblenz_artikel,-Demo-Teilnehmer-von-Polizeisanitaeter-angegriffen-_arid,1125167.html
Fazit
Als sehr positiv bewerten wir die antifaschistische Einnahme des öffentlichen Raums im Vorfeld der Nazidemo. Die Veranstaltungen ermöglichten es die Betroffenen von Rassismus und Nazigewalt in den Fokus zu rücken. Dies geschieht leider zu selten. Auf der anderen Seite konnte gezeigt werden, dass Koblenz nicht die Stadt der Nazis ist und außer punktuellen Demos hier momentan wenig für sie zu holen ist.
Seit 2006 finden relativ regelmäßig Nazidemos in Koblenz statt, erstmals konnte erfolgreich blockiert werden. Normalerweise bewegen sich die Nazis in menschenleeren, abgesperrten Korridoren durch die Stadt – da ist aus antifaschistischer Sicht oftmals wenig drin. Diesmal wollten die Nazis direkt durch die Innenstadt. Dazu kam, dass der Neonazi Christian Worch bei der Anmeldung gepfutscht hatte. Die Nazi-Ersatzroute sollte nah am antifaschistischen Gegenkundgebungen entlanggehen. Die Blockaden waren allerdings politisch nicht gewollt, so zogen Polizeikräfte für eine mögliche Räumung in den Nebenstraßen auf und machten sich fertig zum stürmen der Blockaden. Die Blockaden waren allerdings strategisch gut positioniert, eine mögliche Räumung hätte sich inmitten der Fußgängerzone abgespielt. Desweiteren waren die Blockade bunt gemischt, was den Druck auf die Polizei nochmal erhöhte, die Lage nicht eskalieren und keine unschönen Bilder entstehen zu lassen.
Unser Fazit: So kann es weiter gehen. Für die Zukunft gilt es antifaschistischen Gegenprotest noch besser zu vernetzen und zu koordinieren.